Kabbala – Geschichte und Praxis
Der Begriff Kabbala ist weltweit bekannt. Doch was steckt wirklich dahinter? Ist Kabbala Glaube oder Tradition und wo liegt der Ursprung?
Kabbala lässt sich aus dem Hebräischen mit dem Begriff „Überlieferung“ übersetzen. Die Kabbala ist eine alte, kulturell-religiöse Tradition im Judentum, die im Bereich der Mystik und der Magie angesiedelt ist. Das wichtigste Schriftentum zur Kabbala ist der Sohar, der die theosophische Ausrichtung der alten Kabbala-Lehre darlegt.
Übersetzt bedeutet Sohar "Glanz", deswegen wird das Schriftstück auch als Buch des Glanzes betitelt. Verfasst wurde das Werk im 13. Jahrhundert und ist bis heute das heilige Buch für traditionelle Kabbalisten. Die Schrift umfasst Auslegungen der jüdischen Tora und Darlegungen zur kabbalistischen Zahlen- und Buchstabenlehre als Weltfundament.
Was ist die Kabbala?
Die jüdische Kabbala ist die Lehre okkulter Denk- und Handlungsweisen. Sie ist sowohl im empirischen Okkultismus angesiedelt, der okkulte Erscheinungen erklären und erforschen möchte, wie auch im esoterischen Okkulten, der von der Deutung geheimer Vorgänge für Schicksal und Leben ausgeht.
Es kann angenommen werden, dass die ursprünglichen Wurzeln für die jüdische Kabbala bereits aus ägyptischen Traditionen stammen und dann zu Teilen ins Judentum übernommen wurden. Die Kabbala ist keine einheitliche Lehre. Als Geheimlehre dargestellt, umfasst sie eine Vielfalt von verschiedenen Richtungen und Schulen.
Folgende Kabbala Richtungen gibt es:
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Die theoretische Kabbala – sie basiert auf dem Sohar und Texten aus der der Bibel, u.a. von den Propheten Daniel und Ezechiel. Sie ist vor allem spirituell ausgerichtet, geht von Sefiroth (Buchstaben des hebräischen Alphabets, die Zahlen entsprechen und mittels derer die Welt die erschaffen wurde), den Reichen der Engel und Seelen aus.
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Die mediative Kabbala – hierbei wird mittels bestimmter Buchstabencodes ein höherer Bewusstseinsgrad angestrebt. Die bedeutendste Schrift dieser Richtung ist das Sefer Jezirah.
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Die magische Kabbala – sie ähnelt vielfach der meditativen Richtung. Hier werden Zahlenschlüssel, magische Beschwörungen, göttliche Worte und Namen eingesetzt, um Ereignisse zu beeinflussen. Schriftlich sind keine Grundsatztexte vorhanden, sondern nur verschiedene Fragmente und Manuskripte.
Werdegang der Kabbala
Während des 11. und 12. Jahrhunderts lebten die Bräuche der jüdischen Kabbala besonders in Frankreich und Spanien auf. Während des Mittelalters wurde sehr umfangreiche Magie mit den verschiedensten Mitteln und Methoden praktiziert. Die jüdische Kabbala stellte dabei eine eigene Richtung für die große Minderheit der Juden in diesen Ländern dar. Etwa seit dem 15. Jahrhundert wurden die Lehren und magischen Praktiken der Kabbala auch von nichtjüdischen Menschen aufgegriffen. Zu dieser Zeit schrieb und lehrte Isaak Luria bedeutende Darlegungen zur Auslegung der biblischen Schöpfungsgeschichte, bei denen auch Ansätze der Seelenwanderung erwähnt wurden.
Etwa zur gleichen Zeit entwickelte sich faktisch als Nebengleis der Lehre die christliche Kabbala. Hier wurde, u.a. von Giovanni Pico della Mirandola, in Italien versucht, die christliche Religion mit der Kabbala in eine gewisse Übereinstimmung zu bringen. Im 18. Jahrhundert erlebten die Traditionen und Lehren einen erneuten Aufschwung. Im 20. Jahrhundert wurde die Kabbala vor allem von einigen modernen Vertretern in den USA gelehrt und praktiziert. Ein namhafter Vertreter war der amerikanische Rabbiner Philip Berg, Gründer vom Kabbalah Centre in Los Angeles/Kalifornien.
Was ist Kabbala in Lehre und Praxis?
Im Unterschied zur jüdischen und christlichen Religion geht die jüdische Kabbala von der Einheit von Mensch und Kosmos aus. Danach hat Gott alles erschaffen, was ist. Ähnlich wie im Hinduismus und Buddhismus wird der Mensch als mikrokosmische Entsprechung des Makrokosmos im All gesehen. Im Menschen findet sich, trotz seiner Unvollkommenheit, das Abbild des gesamten Makrokosmos. Die göttliche Allmacht wirkt durch Sephiroth (Zahlen) von 1 bis 10. Unvollkommen ist der Mensch, weil Gott nicht nur das Gute, sondern auch das Böse in der Gestalt Satan geschaffen hat. Der Mensch jedoch strebt nach Vollendung, nach dem „höchsten Licht“. Aus der kabbalistischen Urform lassen sich die Zahlen allerdings nur durch Umformung von Buchstaben ableiten, denn das alte Hebräisch verfügte über keine geschriebenen Zahlen, sondern nur über Buchstaben. Eine zentrale Rolle spielt der Kabbala Lebensbaum. Er stellt das Zusammenspiel von kosmischen und menschlichen Kräften dar. Die zehn Sephiroth symbolisieren die wirkenden Bewusstseinenergien.
Jede der Zahlen steht für einen bestimmten Aspekt der Existenz Gottes:
1: die Krone
2: die Weisheit
3: die Intelligenz
4: die Gnade
5: die Kraft und Gerechtigkeit
6: die Empathie und Schönheit
7: die Beständigkeit
8: die dem Menschen innewohnende Majestät
9: das Weltfundament
10: das Königtum
Der nach diesen Zahlen aufgebaute Lebensbaum kann zu einer Analyse des persönlichen Lebens dienen.
Bei einer solchen Kabbala Lebensanalyse können zum Beispiel folgende Fragen beantwortet werden:
- Was sind die persönlichen Lebensaufgaben?
- Was will die eigene Seele im Leben lernen?
- Auf welche Weise wird die bestimmte Person auf Irrwege und Fehler hingewiesen?
- Welche Krankheiten und Beschwerden des Körpers können dabei entstehen?
Kabbala heute
Kabbala siedelt sich auch heute noch mehr oder weniger in den Bereichen Spiritualität und Esoterik an. Dabei werden weniger die zahlreichen Auslegungen und Lehren für die ursprüngliche jüdische Kabbala gelehrt und verbreitet. Eher werden die Zahlenschlüssel und der Weltenbaum oder Lebensbaum der Lehre für Lebenshilfen und Schicksalsdeutungen herangezogen. Viele wissen auch gar nicht mehr um die Ursprünge und Lehren der alten Überlieferungen. Vordergründig ist eine Lebensanalyse nach Kabbala interessant - was sich im hier und jetzt abspielt und welche Probleme sich lösen lassen. Die spirituelle wird dankend in Anspruch genommen, Hintergründe interessieren weniger.
Praktiken im Kabbala
Wichtig zu wissen ist, dass es sich bei einer solchen Lebensanalyse nicht um Hellsehen oder Wahrsagen handelt. Es werden keine einzelne Ereignisse vorausgesagt oder auch nur als Möglichkeit in Aussicht gestellt. Vielmehr wird eine solche Analyse als eine Grundlage angesehen, Unverstandenes zu erfassen und mehr Klarheit in den eigenen Lebensweg zu bringen. Dabei bildet der Lebensbaum die wichtigste Basis. Zu den zehn Zahlen kommen bei der spirituellen Praxis noch viele weitere Zahlenschlüssel hinzu. Mittels solcher Zahlenschlüssel und des Weltenbaums werden grundlegende Fragen beantwortet.
Es gibt auch kabbalistische Gruppen, die magische Praktiken ausüben, wobei ebenfalls die Zahlenschlüssel und ihre Deutung als wichtigste Grundlage dienen. Teils wird auch mit Beschwörungen und Ekstase gearbeitet. In solchen Gemeinschaften werden oft die traditionellen jüdischen Kabbala-Gebete gesprochen, die sich von den religiösen Gebeten von Juden- und Christentum sehr unterscheiden. Sie gehen nicht von Bitten und Verehrung, sondern von Handlungsaufgaben aus, die zur Gewinnung von Erkenntnis zu bewerkstelligen sind. Buchstaben- und Zahlenschlüssel, wie sie für die magische Handhabung von Kabbala verwendet werden, sind für den Laien gewöhnlich nur schwer zu durchschauen. Sie beruhen auf alten Traditionen dieser Lehre, die sich jedoch im Laufe der Jahrhunderte immer wieder angepasst und gewandelt haben.
Ungebrochene Traditionen
Traditionelle jüdische Kabbala spielt für viele konservative Juden jedoch nach wie vor eine wichtige Rolle. Aus dem jüdischen geistigen Kulturgut ist die Kabbala auch heute nicht wegzudenken. Außerdem wenden sich oft auch Menschen anderer Religionen und Denkrichtungen der Kabbala zu. Gruppen von Menschen, die sich ausschließlich dem Kabbalismus widmen, sind jedoch weltweit nicht sehr verbreitet. Zumeist werden bestimmte Praktiken der Kabbala und einige Traditionen und Deutungsweise sozusagen am Rande der eigenen Glaubensauffassung betrieben. Die vielen verschiedenen Anwendungen und Wirkungsweisen stehen dabei der Kabbala nicht unbedingt entgegen, da diese eine sehr vielschichtige Lehre ist und von keinem einheitlichen Dogma geleitet wird.